Klappern für den guten Zweck

Peter Maffay präsentiert auf Mallorca seine Kinderstiftung

(Westfälische Nachrichten, Wochenendbeilage Panorama, 12. Juni 2004)

So. Wer erzählt jetzt hier was?“ Peter Maffay lässt sich auf einen Stuhl fallen und nimmt die Sonnenbrille ab. Es war spät gestern Abend. „Halb vier. Es ging noch richtig zur Sache.“ Es war Spaß – und doch dient alles einem ernsten Hintergrund. Maffays Mission: Er erklärt die Arbeit seiner beiden Stiftungen. Immer wieder, unermüdlich und geduldig. Damit die Menschen davon erfahren, damit sie spenden und die Arbeit weiter gehen kann. „Wir benutzen mich ein wenig als Multiplikationsmedium“, erklärt der Rocksänger seine Rolle. „Ich habe diese fabelhafte Gelegenheit, an viele heranzutreten und das Thema nach draußen zu bringen.“ Kugelschreiber bannen seine Worte auf die Notizblöcke der versammelten Journalisten.

Draußen scheint an diesem Samstagmittag über dem Hafen von Port Pollenca im Norden von Mallorca die Sonne, weiße Wolken lockern das Blau des Himmels auf. Gut 20 Journalisten sind an Bord des Segelschiffs „Sir Robert“, als der Anker gehisst wird zu einem vier-Stunden-Törn auf dem Mittelmeer. „Und zuhause können wir erzählen, dass wir arbeiten waren“, flachsen sie. Nicht ohne Grund: An anderthalb Tagen auf der Insel lernen sie die Tabaluga-Stiftung kennen, die Peter-Maffay-Stiftung und den neuesten Coup des verzweigten Wohltätigkeits-Konglomerats: Das Segelschiff.

Seit vielen Jahren engagiert sich Peter Maffay für die Arbeit mit Kindern, die aus verschiedenen Gründen traumatisiert sind. Sie haben ihre Eltern verloren, wurden vergewaltigt, verprügelt, schwerstverletzt. Dabei begann sein Engagement wie zufällig, wie er an diesem sonnigen Samstag unter Deck erklärt: „Jürgen Haerlich leitet diese Einrichtung in Tutzing. Er kam irgendwann mal zu uns und sagte: Wir brauchen einen neuen Spielplatz für die Kinder. Wir sammeln Geld, habt ihr Lust, da mitzumachen. Wir haben mitgemacht und einen Spielplatz gebaut, dann haben die uns eingeladen, die Einrichtung anzugucken. Wir haben angefangen zu quatschen, sie haben gesagt: Wir brauchen dies, wir brauchen das, könnt ihr uns helfen? Dann kamen andere Kollegen von mir noch dazu, und wir haben gesagt: Okay, wir helfen euch. So rutscht man von einer Situation in die nächste und verknüpft Dinge miteinander.“ Daraus wuchs die Tabaluga-Stiftung in Bayern.

In den Einrichtungen der Tabaluga-Stiftung – benannt nach dem grünen Drachen, über den Maffay inzwischen vier Rock-Märchen erzählt hat – finden Kinder Hilfe, „denen das Erlebnis einer existenziell bedrohlichen Lebenssituation eine große Angst vor neuerlicher Verletzung und Sicherheitsverlust hinterlassen hat“, wie es die Stiftung selbst formuliert. Leiter Dr. Jürgen Haerlin erklärt die Anforderung: „Diese Kinder müssen die Welt neu erfahren.“ Die Aufarbeitung des Erlebten gehört dazu, aber auch das Erfahren von Gefühlen, von Mitmenschlichkeit, von sozialer Kompetenz. „Viele der Kinder sind so existenziell getroffen, dass sie damit Mühe haben.“ Etwa 70 Kinder wohnen dauerhaft in den Einrichtungen der Tabaluga-Stiftung, gut 300 bleiben für kurze Zeit.

Zurück nach Mallorca. Der Anker ist eingeholt, die Mannschaft der „Sir Robert“ hisst die Segel. Ein grüner Tabaluga kommt zum Vorschein und steigt fast 30 Meter hoch in den blauen Himmel. Fast 30 Meter messen die beiden Masten des 47 Jahre alten einstigen Seeschleppers. Peter Maffay setzt die verspiegelte Sonnenbrille auf und stellt sich hinter der Steuerrad. Die Fotografen drängen sich im Halbkreis um das symbolträchtige Motiv: Maffay übernimmt das Steuer eines Zweimasters. Es ist fast so. Denn dieses Schiff ist ein weiterer Baustein in der erlebnispädagogischen Arbeit, die unter Maffays Flagge bestens funktioniert. „Wir halten den Naturbezug für sehr relevant“, sagt Peter, wie ihn hier alle nennen. „Wind, Wetter, Hitze, Kälte – das erlebt man heute kaum noch in den klimatisierten Räumen, in der zweidimensionalen Welt vor dem Computer.“ Deshalb das Schiff.

Auch hier nutzte Maffay eine zufällige Gelegenheit. Über Bekannte lernte er das deutsche Paar Karsten Börner und Karin Volkening kennen, die seit vielen Jahren auf der „Sir Robert“ um die Welt segeln und Charter-Touren anbieten. Maffay schaltete schnell, besuchte die beiden Aussteiger auf dem Segelschiff – und schon war ein weiterer Baustein der Arbeit gefunden. „Das Schiff ist eine phänomenale Erlebniswelt.“ Denn die Kinder erfahren nicht nur grundsätzliche Eindrücke wie Wind und Wetter, sondern lernen auch soziale Kompetenz, sich aufeinander verlassen zu müssen und zu können, sich mit Erfolg engagieren zu können. Denn natürlich fällt auf einem solchen Schiff viel Arbeit an, die im Team erledigt werden muss. Mindestens vier Wochen im Jahr fährt die „Sir Robert“ für Maffays Stiftungen. Für weitere Wochen sucht er nun Sponsoren. 15000 Euro kostet ein Wochentrip für 14 Personen.

„Unser Job ist es, Geld zu generieren“, erklärt der Sänger, der übrigens in diesen Tagen mit der Arbeit am nächsten Album beginnt. Ruft er selbst bei Firmen an und sagt: Hallo, hier ist Peter Maffay? Er schmunzelt: „Das mache ich meist nicht selber, denn dann kriegst du zur Antwort: Das kann ja jeder sagen. Das sind private Kontakte oft über Bekannte, die sagen: Ich kenne da jemanden, mit dem könnte man reden. In der Tat führt das dazu, dass ich irgendwo hinfahre und sage: Guten Tag, mein Name ist Maffay, Sie können uns helfen. Das ist stinknormale Akquise.“ Die sehr erfolgreich läuft. Große Firmen überreichen immer wieder dicke Schecks. Maffay reist bereitwillig durchs Land, um sie abzuholen und sich dabei fotografieren zu lassen. Das ist schließlich gern gesehene PR für die Sponsoren, aber eben auch für seine Arbeit. Die Tatsache, dass ich mal irgendwo auf dem Plakat stehen kann, wird hergenommen, um Dinge zu multiplizieren.“ Maffay nutzt die Chancen seiner Popularität für die gute Sache.

Zur guten Sache gehören seit einem Jahr auch die Einrichtungen der neben der Tabaluga-Stiftung neu gegründeten Peter-Maffay-Stiftung. Auf seinem Grundstück nahe Pollenca auf Mallorca baute der Musiker eine Finca, auf der bis zu 14 Kinder aus der Tabaluga-Stiftung einen Urlaub verbringen können mit viel Spaß, aber auch ein wenig handfester Arbeit auf dem Biohof. Wie stark ist die Arbeit dort mit seiner Person verbunden? Im Interview unter Deck erklärt er: „Ich bin nicht jeden Tag hier auf Mallorca, und selbst wenn ich hier bin, bin ich nicht immer bei den Kids. Aber wenn jemand kommt und sagt: Die Toilette ist verstopft, dann sehe ich zu, dass wir das richten. Oder jetzt kamen vor einem Monat die Kinder und fragten: Wann kann man denn bei euch im Swimming-Pool baden? Da habe ich gesagt: Seid ihr wahnsinnig? Es waren zwölf Grad. Aber die wollten baden, also haben wir die Algen rausgemacht, alles gesäubert, und dann sind die da rein gesprungen. Zu sehen, dass der Laden läuft, das ist mein primärer Job.“

Und das Klappern für die Arbeit. Zum Klappern gehörten auch die Journalisten-Tage auf Mallorca verbunden mit der In-Dienst-Stellung des Schiffs und einem Fest im Hafenclub Nautico. Freunde, Musiker, Sponsoren verbrachten einen Abend mit Musik, Büffet, Reden und einer Aufführung mit Tabaluga auf Catalan. Unter den Gästen: Casting-Juror und Maffay-Freund Thomas Stein, Udo Lindenberg, Steffi Stephan, Tony Carey. Es ging richtig zur Sache. Bis halb vier.

Gunnar A. Pier